Kann eine Solarzelle mit künstlichem Licht aufgeladen werden? Kann man die Umgebungswärme in einem Wohnraum in Strom verwandeln? Ja, beides ist möglich und manchmal sogar sinnvoll.
Es war einer der kleineren Neuheitenmeldungen von der CES in Las Vegas, der größten Show für Konsum- und Unterhaltungselektronik: Das Münchner Unternehmen EnOcean zeigte einen kleinen Bluetooth-Sender, der ohne Stromversorgung auskommt. Er versorgt sich selbst mit Strom und bezieht diesen aus Bewegung, Licht und Temperatur in seiner unmittelbaren Umgebung. Er ist autark.
Energy harvesting nennt sich der Ansatz und eine kurze Recherche ergab, dass bereits 2013 das Prinzip in Las Vegas vorgestellt wurde. Letztes Jahr präsentierten die Forscher vom Bostoner MIT (Massachusetts Institute of Technology) einen Wandler, der Schwankungen in der Umgebungstemperatur ausnutzt, um Strom zu erzeugen. Und da ich selbst einen Rucksack mit Solarpanel zu Weihnachten geschenkt bekam, stellt sich mir die Frage, ob der sich tagsüber auflädt, wenn Kunstlicht oder reine Umgebungshelligkeit darauf scheinen. Alternativ hätte es ja sein können, dass er nur mit direktem UV-Licht genug Energie produziert. Wenn sehr gut Komponenten verbaut sind – also zum Beispiel Drähte mit geringstem Leitwiderstand – dann ist sogar das möglich. Zwar entstehen nur minimale Mengen Strom, die immer um ein Vielfaches kleiner sind, als die eingesetzte Energiemenge, die zum Beleuchten benötigt wird. Das ist pure Physik. Aber was, wenn das Licht aus anderem Grund benötigt wird und halt trotzdem leuchtet.
Genau darum geht es EnOcean und dem MIT. Erst wenn man Räume mit deren Wandlern pflastern würde, hätte das einen wahrnehmbaren Effekt auf die Raumtemperatur und der Grund, warum die Heizung in Betrieb ist, würde in Frage gestellt. Ist der Menge der Wandler aber gering und wird das Licht oder die Heizung ohnehin betrieben – zum Beispiel in einem Konferenzraum oder einer Messehalle – dann kann es spannend werden, wenn immer mehr solcher Generatoren Anwendungen verwenden, die unsere Umgebungswärme oder das Umgebungslicht sinnvoll zweitverwerten.
In Sachen Bluetooth und dem Internet der Dinge ist die Autarkie ein extrem spannendes Thema, denn viele potentielle Anwender in Supermärkten, Shopping-Malls oder auf Betriebsgeländen fürchten sich vor dem Wartungsaufwand, wenn immer wieder die Batterien ausgetauscht werden müssen. Bei Bluetooth Low Energie (BLE) ist das je nach Verbraucher alle zwei bis vier Jahre nötig. Aber im größeren Maßstab könnte das doch auch sehr interessant werden, wenn große natürliche Temperaturschwankungen geschehen, etwa in vielen Gebieten Afrikas. Im Vergleich zu großen Anlagen mit Wärmetauschern, bei denen hohe Investitionen nötig sind, kann die Verfügbarkeit von kleinen einfachen Modulen viel schneller den Markt durchdringen. Im Bereich kleiner Solaranlagen erleben zahlreiche Regionen in Afrika gerade einen regelrechten Boom.
Das Ganze lässt sich noch steigern, wenn wir die kinetische Energie der Menschheit einsammeln. Das US-Unternehmen Pavegen hat einen Bodenbelag entwickelt, der mit einer Art Schwungrad die Auf- und Abbewegung der darüber laufenden Menschen in Strom umwandelt. Im Durchschnitt macht der Mensch rund 216 Millionen Schritte im Laufe seines Lebens. Pavegen sieht naheliegende Einsatzbereiche auf Flughäfen, Bahnhöfen und Shopping Malls. Gründer Kemball-Cook kann sich aber auch vorstellen, die Bewegungsenergie eines Hochhauses, das im Wind schwankt zu „ernten“ .
Vor zweiundzwanzig Jahren durfte ich Nicolas Negroponte, den damaligen Chef des MIT interviewen. Er hatte ein Konzept vorgelegt, das im Grunde ähnlich funktioniert, nur dass der Strom im Absatz des Schuhs generiert wird. Inzwischen hat das Unternehmen Bionic Power eine Beinschiene entwickelt, die Energie beim Laufen erzeugen kann. Um Instep Nanopower, die bereits 2011 eine Stromerzeugende Schuhsohle zeigten, ist es seit 2016 still geworden. SolePower hat sein Geschäftsfeld spezifiziert und produziert den Smartboot vor allem für das Militär.
Physikalisch betrachtet, ist es sowohl möglich einen Elektromagneten anzutreiben – Pafegen forscht ebenfalls am Schuh – oder sich den Piezoeffekt nutzbar zu machen. Dabei entsteht Energie durch die Verformung bzw. die Rückstellkräfte eines spezifischen Kunststoffes. Das ist der SolePower-Ansatz. Problematisch ist, dass die Stromausbeute nur gering ist und in Ländern mit günstigem Strom folglich nur ideologische Bedeutung hat. Problematisch ist auch der Transport des Stroms vom Schuh zum Endgerät.
Bis das alles Marktreif ist, können wir ja unseren Winterspeck auf dem Laufband von SportsArt abtrainieren. Auch hier wird die Laufenergie in Strom umgewandelt. Um auf einem aktuellen Samsung-Fernseher (GQ65Q6FNGT / 115 Watt) einen 90-minütigen Spielfilm zu sehen, muss man aber schon e8ne Stunde auf dem Band laufen. Bis zu 200 Watt pro Stunde generiert das motorfreie Gerät. Aber selten gilt treffender: Der Weg ist das Ziel.